Winne geht, Walter bleibt
Zwei, die seit 35 Jahren zusammengehören wie Pech und Schwefel: Winfried und Sabine Wagner, hier auf der Terrasse ihres Hauses in der Dettinger Buchhalde. Der 69-Jährige zieht sich nach 40 Jahren als Humorist auf der Bühne zurück. Wenn es eine Fortsetzung von »Laible und Frisch« gibt, macht er als Bäcker Walter Laible natürlich weiter. FOTO: FINK
DETTINGEN. Was sind schon 700 Leute, die extra zu einem kommen, wenn man in einem halben Leben schon ein paar Hunderttausend unterhalten hat? 700 waren beim Jubiläum in der Nürtinger Stadtkirche, wo alles angefangen hat. Winfried Wagner hat keine Ahnung, wie viele Menschen in den vergangenen vierzig Jahren zu seinen Auftritten gekommen sind, er weiß nicht mal, wie oft er exakt auf der Bühne gestanden ist. Es dürften so um die dreieinhalbtausend Mal gewesen sein. Also ein paar Hunderttausend Menschen, die er zum Lachen, zum entspannt Abschalten gebracht hat. Jetzt zieht sich der Dettinger zurück.
»Ich will zu einem Zeitpunkt gehen, wo die Leute noch ›Schade!‹ sagen«, so der 69-Jährige. Seine Frau Sabine ergänzt – den greisen Jopi Heesters im Hinterkopf: »I will et, dass se ihn am End ans Rednerpult no-tackra missat.« Ausnahmsweise auf Hochdeutsch antwortet ihr Gatte: »Ich glaube nicht, dass es so lange Tackernägel gibt!« Ein koketter Schlenker zu seiner beachtlichen Körperfülle. »Ich weiß, dass man mir’s nicht ansieht«, sagt er, »aber ich ess’ gern.«
Dreieinhalbtausend Auftritte
»Ich habe nach dreieinhalbtausend Bühnenauftritten immer noch Lampenfieber«, gibt Winfried Wagner zu, »und es wird immer schlimmer.« Ein Zeichen dafür, dass er immer noch hoch konzentriert raus geht, ein Zeichen aber auch dafür, dass es Zeit ist, zu gehen. »Ich bin jetzt, nach anderthalb Jahren reichlicher Überlegung, froh, dass ich die Entscheidung getroffen habe.«
Die Entscheidung, als Humorist Menschen zum Lachen zu bringen, hat Winfried Wagner recht spät getroffen. »Ich wollte singen, malen und zeichnen«, sagt er rückblickend, »also schon irgendwie Künstler werden.« Aber dass er auf der Bühne – und auf seine alten Tage sogar noch auf der Kinoleinwand – landen würde, war lange nicht klar. Nach der Schule machte der gebürtige Metzinger erst mal eine Lehre bei der Volksbank. Es folgte ein einjähriges Journalismus-Fernstudium an der Hamburger Autorenschule, danach lernte er zweieinhalb Jahre Film-, Funk- und Fernsehautor.
Erst mal als Banker gearbeitet
Sein erstes Geld nebenher verdiente er aber nicht mit schwäbischen Mundart-Hörspielen, sondern mit Drehbüchern für »Felix«-Comics. Der erste Bühnenauftritt war am 5. Oktober 1978. Den Preis beim Wettbewerb für Mundartautoren der Landesregierung hatte er da schon in der Tasche. Als Wagner in einem Rundfunk-Interview in einem Nebensatz erwähnte, dass er genügend humoristischen Stoff habe, um ein Buch zu schreiben, meldeten sich gleich drei Verlage. »Mir Schwoba send hald ao bloß Menscha« hieß das erste Buch, in dem er schwäbische (Un)-Tugenden humorvoll ins Visier nahm.
Es folgten Kolumnen fürs Wochenblatt (»die Hauptgrundlage für meine späteren Bühnenauftritte«) und Beiträge für die Zeitschrift »Schönes Schwaben«. In den 32 Jahren des Magazins, das mittlerweile »Schöner Südwesten« heißt, war Wagner als einziger Autor in jedem Heft vertreten. Dass der leidenschaftliche Koch und Pralinen-Künstler (»Ich weiß, dass man mir’s nicht ansieht«) dort 1993 die Gourmet-Redaktion übernahm, war irgendwie klar.
In den sechs Büchern über »Familie Emberle« verarbeitete er seine Urlaubserlebnisse von Teneriffa, wo er zusammen mit seiner Frau über 15 Jahre sechs bis neun Wochen im Jahr verbrachte – die einzige Auftritts-Auszeit im Jahr. Die Abenteuer der Emberles sind mittlerweile in der x-ten Auflage erschienen und haben es über mehrere Hundert Sendungen des ehemaligen Süddeutschen Rundfunks zu einiger Berühmtheit geschafft.
Mitte 1989, kurz vor dem Mauerfall, hängte Winfried Wagner seinen Beruf als Banker – mittlerweile Abteilungsleiter – an den Nagel. »Meine Kollegen haben irgendwie schon damit gerechnet, weil ich abends und an den Wochenenden ständig unterwegs war.« Seinen ersten Fernseh-Auftritt hatte er schon 1980 beim SDR hingelegt. Die 1981 bundesweit ausgestrahlte ARD-Fernsehshow »Stuttgarter Nachmittag« moderierte, genau: Winfried Wagner. »In dieser Zeit habe ich die ganzen Kerle wie Rudi Carrell und Kurt Felix kennengelernt.« Von 19 bis 24 Uhr in Stuttgart Nachrichten zu lesen, war »überaus anstrengend«. Viele Zuschauer haben sich umso mehr auf das wagnersche »Guats Nächtle« gefreut.
»Wenn Se was vom Winne wellat, missat Se erscht mit mir schwätza!« Wer bei Wagners anruft, weiß schnell, wer die Hosen anhat. Sabine Wagner ist nicht nur die Ehefrau des Mannes, der jetzt nach 40 Jahren auf der Bühne »Ade« sagt, sie ist auch seine Managerin. Wenn Winne sagt, »Sabi, kennt’sch mr et …«, tut er’s nicht nur, weil ihm diese ganz besonders raffiniert-liebenswürdige schwäbische Bitte so gut gefällt, sondern, weil er ohne die Frau, mit der er seit 1983 zusammen und seit 1985 verheiratet ist, nicht leben kann.
Ohne Sabine ist alles nichts
Ohne Sabine ist bei Winfried Wagner alles nichts. »Oh, wenn i mei Frau ed hett …«, sagt er über das Wesen, über dessen eiserne Hand er in einer Tour (augenzwinkernd) lamentiert, um »meinem Chef« gleich wieder eine herzerweichende Liebeserklärung zu machen. »Ich hätte keine idealere Frau kriegen können.« Die Managerin gibt das fast so selig lächelnd zurück, sagt nach außen aber klar und deutlich: »Ich bin nicht das Vorzimmer – ich bin das Zimmer.«
1997 gründete Wagner, der schon viele Sketche für die Mäulesmühle geschrieben hat, seinen eigenen Theaterverlag, um seine Komödien und Sketchprogramme selbst zu vermarkten. In der Fernsehserie »Freunde in der Mäulesmühle«, in der Wagner auch Textautor war, hatte er 2006 einen Gastauftritt. 2009 dann der Durchbruch als Schauspieler: Als Bäckermeister Walter Laible hatte er die Hauptrolle in Frieder Scheiffeles »Laible und Frisch«. Der Fernseh-Mehrteiler wurde im SWR mehrfach erfolgreich ausgestrahlt und zog Besucher im hohen sechsstelligen Bereich vor die TV-Schirme. Aus dem Film wurde die Laible-und-Frisch-Komödie »Gut geklaut ist halb gebacken«, die in der Komödie im Marquardt in Stuttgart durchgehend vor ausverkauften Rängen gespielt wurde.
Der Bäckerkrieg soll weitergehen
2017, in dem Jahr, in dem sein 19. Buch mit 900 schwäbischen Witzen in die zweite Auflage ging, beginnen die Dreharbeiten für den Laible-und-Frisch-Kinofilm »Do goht dr Doig«. Der Traum von Produzent Frieder Scheiffele zieht im ganzen Land (und einer »Auslands-Vorführung« in München) 70 000 Zuschauer vor die Leinwand. So felsenfest Winfried Wagner bei seinem Entschluss, keine Bühne mehr betreten zu wollen, festhält (er macht auch nicht mehr beim Bühnenstück in Jagsthausen mit): »Wenn’s eine Fortsetzung gibt, bin ich natürlich wieder dabei«, sagt der 69-Jährige. Der Bäckerkrieg im Ermstal funktioniert ohne den dicken Bäcker ebenso wenig wie ohne das smart-fiese Pendant Simon Licht alias Manfred Frisch. Die Drehbücher stehen schon, der SWR hält sich noch bedeckt und wartet wohl die Quoten an Neujahr ab. (GEA)
Der letzte Bühnenauftritt
Schön war es! Lustig war es! Fröhlich war es! Der letzte Auftritt im Renitenz Theater in Stuttgart war etwas besonderes. Vom letzten Auftritt gibt es natürlich besonders viele Bilder die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Egal ob Sie dabei waren oder nicht, hier können Sie den Abend in Bildern nochmals erleben.